22. August 2016

Hinter den Kulissen


Gutachten über das Berliner Taxigewerbe


„Bundesweit beispiellose Schieflage“

Senat veröffentlicht 115-seitiges Papier von Linne & Krause

 
„Untersuchung zur Wirtschaftlichkeit des Taxigewerbes in der Bundeshauptstadt Berlin“. So lautet der etwas sperrige Titel des von dem bekannten Hamburger Marktforschungsunternehmen „Linne & Krause“ im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erstellten Gutachtens, das Ende Juli auf der Internetseite der Verwaltung veröffentlicht worden ist. Seine Enthüllungen über die Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben durch Berliner Taxiunternehmen sorgte für eine ausführliche Berichterstattung in der Tagespresse.  26 10 26 greift das Thema nochmal auf – auch, damit es nicht (wieder!) in Vergessenheit gerät.

„Der außerordentlich hohe Anteil irregulärer Berliner Taxis ist seit Jahren bekannt –  wenn auch nicht in dem aktuell vorgefundenen Ausmaß.“ (Aus dem Gutachten, Seite 15)

Die Zahlen sind ernüchternd wie erschreckend zugleich. Die Autoren des Gutachtens sprechen von einer „bundesweit beispiellosen Schieflage“. Nirgendwo ist es offenbar leichter als in der Hauptstadt, Steuern und Sozialabgaben durch die Unterdrückung von Umsätzen zu hinterziehen. Rund 130 größere Betriebe werden als ‚Intensivtäter‘ und damit als Kern der „Schattenwirtschaft“ bezeichnet. Oder auch als „irregulär“ oder „semiprofessionell“, wie die Hamburger Marktforscher von Linne & Krause es ausdrücken, wenn die Buchführung nicht plausibel ist. Diese Großbetriebe umfassen bereits etwa 77% des gesamten Berliner Taxigewerbes. Die im Gutachten veröffentlichten Zahlen sind nicht nur alarmierend, sie stellen vielmehr einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für die ehrlichen Berliner Taxiunternehmer dar.

Die Politik wusste bescheid – und sah weg. Jahrelang.

 
Das Versagen der Politik – Forderungen aus dem Taxigewerbe nach mehr Kontrollen wurden jahrelang missachtet – wird auch in dem 115-Seiten-Papier deutlich: Linne & Krause verweisen auf eine Anhörung im Abgeordnetenhaus aus dem Jahr 2003 und auf eine parlamentarische Anfrage zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im Jahr 2013. Damals antwortete der Senat selbst, „dass etwa 50% der tatsächlich vom LaBO geprüften Unternehmen unplausible Angaben“ gemacht hätten. Dies nicht zum Anlass für politisches Handeln zu machen, ist grob fahrlässig, mindestens aber Unterlassung. Die ehrlichen Betriebe werden sich selbst überlassen. Fairer Wettbewerb geht anders.

Die Koalition aus SPD und CDU hatte sich für die Wahlperiode ab 2011 darauf verständigt, das „Hamburger Modell“ auf Berlin zu übertragen und zu kontrollieren (siehe auch Seite 15). Nur die Finanzämter agieren bislang. Der Senat hat bislang nichts getan. Ob sich das mit dem Gutachten ändert, bleibt abzuwarten. Denn: Neu sind nur die erschreckenden Zahlen. Das Grundproblem hingegen ist seit Beginn des Jahrtausends bekannt.

Jochen Liedtke

Das Gutachten in voller Länge als PDF- Datei zum Download finden Sie hier:

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